Wir brauchen eine Fehlerkultur? Ganz wichtig…
Gerade ist viel im Wandel, da passieren auch Fehler. Zunehmend höre ich deshalb Sätze wie
- „Wir brauchen eine Fehlerkultur„
- „Ihr könnt natürlich zu mir kommen, das hat dann keine (negativen) Konsequenzen„
- „Es ist völlig okay, wenn Ihr Fehler macht. Das gehört zur Lernkultur dazu“
Im ersten Moment klingt das harmlos und auch erstrebenswert, im Grunde verbergen sich darin jedoch ganz viele Missverständnisse. Angefangen mit dem zentralen Problem. Wenn sich jemand die Mühe macht Fehler anzusprechen, sich vielleicht sogar noch traut eigene Fehler öffentlich zu machen oder zuzugeben – dann muss das NATÜRLICH KONSEQUENZEN HABEN! Und zwar in der Form, dass man gemeinsam dafür sorgt die Probleme abzustellen, dafür sorgt, dass die Fehler nicht wieder passieren und dass möglichst viele Menschen (vielleicht sogar die Konkurrenz!) daraus lernen. Ansonsten ist es doch eine völlige Zeitverschwendung. Und noch viel Schlimmer, woher soll denn dann die Motivation kommen Fehler zu thematisieren, wenn sich dann eh nichts ändert?
In anderen Worten, wenn gemachte Fehler nicht genutzt werden um daraus zu lernen, schwindet die Motivation sich damit zu beschäftigen. Dabei sollte natürlich gelten, dass es nicht primär darum geht zu Strafen wenn Fehler passieren – jedoch auch nicht so zu tun, als sei es das Ziel möglichst viele und am besten noch unnötige und dumme Fehler zu machen.
Das bringt uns zum zweiten Missverständnis. Egal ob förderliche Lernkultur oder positive Fehlerkultur, es geht nie darum absichtlich Fehler zu machen bzw. darum Fehler als etwas besonders tolles zu sehen. Es geht darum …
- Fehler zu „akzeptieren“ um z.B. die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen,
- die Time to Market zu reduzieren
- die Entwicklung an sich zu beschleunigen
- neue Märkte zu erschließen
- neuartige Produkte/ Leistungen zu entwickeln (siehe Amazon und den Sprachassistenten „Alexa“)
- andere Organisationsformen für das eigene Unternehmen oder die Tochterunternehmen zu finden
Anders gesagt, Fehler selbst sind nicht das Ziel, sondern ein veränderter Umgang mit Fehlern ist ein Mittel um ein anderes Ziel zu erreichen. Ein besonderes gelungenes Beispiel dazu stammt von o.g. Firma Amazon. Dort wird nach „Execution Premium“ und Innovation unterschieden. Konkret. Baut Amazon das 101 Versandzentrum auf, hat man die Erfahrungen aus den vorangegangenen 100 Versandzentren. Bestimmte Probleme dürfen dann nicht wieder auftreten, dafür gibt es bereits Standards, dokumentierte Lösungen und Vorgaben. Werden hier doch Fehler gemacht, wird dies entsprechend als klar negativ betrachtet. Macht sich Amazon jedoch auf den Weg eine Leistung oder ein Produkt zu entwickeln, dass es so noch nicht gibt, sind die Fehler einkalkuliert und werden natürlich toleriert, da sonst die Umsetzung unwahrscheinlicher wird. Im Jahr 2024 konkretes Beispiel. In den Logistik-Zentren werden sehr engmaschig Vorgaben für die Versandmitarbeiter gemacht und die Einhaltung wird eingefordert. Beim Aufbau der neuen Sparte „Lebens-Mittelversand“ werden in verschiedenen Pilotprojekten, z.B. in Berlin, erste Erfahrungen gesammelt und vor allem Probleme herausgearbeitet, bevor das Angebot weiter skaliert wird… um dann zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es als sinnvoll erachtet wird, Angebote für den Massenmarkt zu machen.
Erstes Take-Away: Fehler sind nicht per se gut oder schlecht. Der Umgang mit Fehlern und die Konsequenzen die aus Fehlern folgen, müssen sich am Ziel bzw. an der Strategie und den eigenen Werten orientieren.
Siehe hierzu auch Adaptive Moves nach Ed Schein, bzw. Heldenreise JDH Schritt 3 (Playbook Heldenreise)
Quelle: V4C.de
Unterschiedlicher Umgang mit Fehlern bei Rot, Blau, Orange (Graves)
Die Darstellung verdeutlicht, gerade bei Blau ist das Thema „Fehler“ sogar als eines der zentralen Merkmale hervorgehoben. In diesem Fall die Angst vor Fehlern, oder besser gesagt die Angst vor den Reaktionen auf die Fehler. Dies deutet auch schon an, dass unterschiedliche Arten von Fehlern auf den jeweiligen Stufen von besonderer Bedeutung sind, schon allein weil auf einer orangen Stufe schon sehr viele Fehler gemacht und Lösungen gefunden wurden. Ansonsten wäre es auch nicht die Stufe Orange. Hierzu jedoch mehr an anderer Stelle. Zeitnah werde ich hierzu einen Beitrag erstellen und wenn wir es noch schaffen, ein Dialog (Video) mit Personen, die sich hier noch besser auskennen. Bis dahin verweise ich auf das Video mit Hartmut Wiehle, insbesondere zum hybriden Arbeiten. Denn da steckt auch viel zum Thema Umgang und Vermeidung von Fehlern drin.
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